Logik f¨ ur Informatiker 2. Aussagenlogik Teil 3 30.04.2012 Viorica Sofronie-Stokkermans Universit¨ at Koblenz-Landau e-mail: sofronie@uni-koblenz.de 1
Letztes Mal Aussagenlogik • Syntax: welche Formeln? • Semantik: Modelle (Strukturen) Wann ist eine Formel wahr (in einer Struktur)? • Deduktionsmechanismus: Ableitung neuer wahrer Formeln 2
Letztes Mal Aussagenlogik • Syntax: welche Formeln? • Semantik: Modelle (Strukturen) Wann ist eine Formel wahr (in einer Struktur)? • Deduktionsmechanismus: Ableitung neuer wahrer Formeln 3
Syntax der Aussagenlogik: Logische Zeichen ⊤ (“verum”); ⊥ (“falsum”) ¬ (“nicht”) ∧ (“und”); ∨ (“oder”); → (“wenn...dann”); ↔ (“genau dann, wenn”) ( ) die beiden Klammern 4
Vokabular der Aussagenlogik Atomare Aussagen (Atome, Aussagenvariablen) Abz¨ ahlbare Menge von Symbolen, etwa Π = { P 0 , . . . , P n } oder Π = { P 0 , P 1 , . . . } 5
Formeln der Aussagenlogik Atomare Aussagen (Atome, Aussagenvariablen) Abz¨ ahlbare Menge von Symbolen, etwa Π = { P 0 , . . . , P n } oder Π = { P 0 , P 1 , . . . } Definition: Menge For Π der Formeln ¨ uber Π: Die kleinste Menge mit: • ⊤ ∈ For Π und ⊥∈ For Π • Π ⊆ For Π • Wenn F , G ∈ For Π , dann auch ¬ F , ( F ∧ G ), ( F ∨ G ), ( F → G ), ( F ↔ G ) Elemente von For Π . 6
Terminologie Eine Formel F , die als Teil einer Formel G auftritt, heißt Teilformel von G . Die bin¨ are Relation Teilformel: G Teilformel F gdw.: G ist eine Teilformel von F ist eine noethersche partielle Ordnung auf For Π . 7
Strukturelle Induktion Beweise durch strukturelle Induktion: Zu zeigen: Alle Formeln haben Eigenschaft p “F¨ ur alle F ∈ For Π , p ( F ) gilt” Induktionsbasis: Wir beweisen, dass p ( A ) f¨ ur alle atomaren Formeln gilt. Beweise p ( ⊥ ), p ( ⊤ ) und p ( Q ) f¨ ur die Aussagenvariable Q . 8
Strukturelle Induktion Beweise durch strukturelle Induktion: Zu zeigen: Alle Formeln haben Eigenschaft p “F¨ ur alle F ∈ For Π , p ( F ) gilt” Induktionsbasis: Wir beweisen, dass p ( A ) f¨ ur alle atomaren Formeln gilt. Beweise p ( ⊥ ), p ( ⊤ ) und p ( Q ) f¨ ur die Aussagenvariable Q . Induktionsvoraussetzung: Sei F eine Formel (die nicht atomar ist) Annahme: alle Teilformeln von F , die nicht gleich F sind, haben Eigenschaft p . 9
Strukturelle Induktion Beweise durch strukturelle Induktion: Zu zeigen: Alle Formeln haben Eigenschaft p “F¨ ur alle F ∈ For Π , p ( F ) gilt” Induktionsbasis: Wir beweisen, dass p ( A ) f¨ ur alle atomaren Formeln gilt. Beweise p ( ⊥ ), p ( ⊤ ) und p ( Q ) f¨ ur die Aussagenvariable Q . Induktionsvoraussetzung: Sei F eine Formel (die nicht atomar ist) Annahme: alle Teilformeln von F , die nicht gleich F sind, haben Eigenschaft p . Induktionsschritt: Zeige, dass auch F Eigenschaft p hat. Beweis durch Fallunterscheidung: Fall 1: F = ¬ G . Induktionvoraussetzung: p ( G ) gilt. Folgere, dass p ( F ) gilt. Fall 2: F = G ∧ H . Induktionvoraussetzung: p ( G ), p ( H ) gelten. Folgere, dass p ( F ) gilt. Fall 3: F = G ∨ H . Induktionvoraussetzung: p ( G ), p ( H ) gelten. Folgere, dass p ( F ) gilt. Fall 4: F = G → H . Induktionvoraussetzung: p ( G ), p ( H ) gelten. Folgere, dass p ( F ) gilt. Fall 5: F = G ↔ H . Induktionvoraussetzung: p ( G ), p ( H ) gelten. Folgere, dass p ( F ) gilt. 10
Syntax: Beispiel “Worin besteht das Geheimnis Ihres langen Lebens?”, wurde ein 100 J¨ ahriger gefragt. “Ich halte mich streng an die Di¨ atregeln: • Wenn ich kein Bier zu einer Mahlzeit trinke, dann habe ich immer Fisch. • Immer wenn ich Fisch und Bier zur selben Mahlzeit habe, verzichte ich auf Eiscreme. • Wenn ich Eiscreme habe oder Bier meide, dann r¨ uhre ich Fisch nicht an.” 11
Beispiel 1 Wenn ich kein Bier zu einer Mahlzeit trinke, dann habe ich immer Fisch. ◮ ¬ B → F 12
Beispiel 1 Wenn ich kein Bier zu einer Mahlzeit trinke, dann habe ich immer Fisch. ◮ ¬ B → F Immer wenn ich Fisch und Bier zur selben Mahlzeit habe, verzichte ich auf Eiscreme. ◮ F ∧ B → ¬ E 13
Beispiel 1 Wenn ich kein Bier zu einer Mahlzeit trinke, dann habe ich immer Fisch. ◮ ¬ B → F Immer wenn ich Fisch und Bier zur selben Mahlzeit habe, verzichte ich auf Eiscreme. ◮ F ∧ B → ¬ E Wenn ich Eiscreme habe oder Bier meide, dann r¨ uhre ich Fisch nicht an. ◮ E ∨¬ B → ¬ F 14
Beispiel 1 ◮ ¬ B → F ◮ F ∧ B → ¬ E ◮ E ∨¬ B → ¬ F 15
Beispiel 1 ◮ ¬ B → F ◮ F ∧ B → ¬ E ◮ E ∨¬ B → ¬ F Wir m¨ ochten wissen, welche Men¨ us solche Di¨ atregeln erf¨ ullen. z.B.: • kein Bier, Fisch und Eiscreme erf¨ ullt 3. Di¨ atregel nicht! • Bier, Fisch, keine Eiscreme erf¨ ullt alle Di¨ atregeln 16
Beispiel 1 ◮ ¬ B → F ◮ F ∧ B → ¬ E ◮ E ∨¬ B → ¬ F Wir m¨ ochten wissen, welche Men¨ us solche Di¨ atregeln erf¨ ullen. z.B.: Formalisierung: • kein Bier, Fisch und Eiscreme B �→ falsch, F �→ wahr, E �→ wahr erf¨ ullt 3. Di¨ atregel nicht! • Bier, Fisch, keine Eiscreme B �→ wahr, F �→ wahr, E �→ falsch erf¨ ullt alle Di¨ atregeln 17
Beispiel 1 ◮ ¬ B → F ◮ F ∧ B → ¬ E ◮ E ∨¬ B → ¬ F Wir m¨ ochten wissen, welche Men¨ us solche Di¨ atregeln erf¨ ullen. z.B.: Formalisierung: 0:falsch, 1:wahr A : { B , F , E } → { 0, 1 } • kein Bier, Fisch und Eiscreme A ( B ) = 0, A ( F ) = 1, A ( E ) = 1 erf¨ ullt 3. Di¨ atregel nicht! • Bier, Fisch, keine Eiscreme A ( B ) = 1, A ( F ) = 1, A ( E ) = 0 erf¨ ullt alle Di¨ atregeln 18
Letztes Mal Aussagenlogik • Syntax: welche Formeln? • Semantik: Modelle (Strukturen) Wann ist eine Formel wahr (in einer Struktur)? • Deduktionsmechanismus: Ableitung neuer wahrer Formeln 19
Semantik der Aussagenlogik Aussagenvariablen f¨ ur sich haben keine Bedeutung. Hierf¨ ur m¨ ussen Wertebelegungen (Valuationen) zur Verf¨ ugung stehen. 1 Symbol f¨ ur den Wahrheitswert “wahr” 0 Symbol f¨ ur den Wahrheitswert “falsch” Eine Valuation (Wertebelegung, Interpretation, Struktur, Modell) ist eine Abbildung A : Π → { 0, 1 } 20
Beispiel 1 ◮ ¬ B → F ◮ F ∧ B → ¬ E ◮ E ∨¬ B → ¬ F Π = { B , F , E } M¨ ogliche Interpretation (Wertebelegung): A ( B ) = 1, A ( F ) = 0, A ( E ) = 1 A ( B ) = 1: “Ich habe Bier” A ( F ) = 0: “Ich habe kein Fisch” A ( E ) = 1: “Ich habe Eiskreme” 21
Beispiel 1 ◮ ¬ B → F ◮ F ∧ B → ¬ E ◮ E ∨¬ B → ¬ F Π = { B , F , E } M¨ ogliche Interpretation (Wertebelegung): A ( B ) = 1, A ( F ) = 0, A ( E ) = 1 Auswertung von Formeln: A ∗ ( ¬ B → F ) = A ∗ ( ¬ B ) → A ∗ ( F ) = ¬A ( B ) → A ( F ) = ( ¬ 1 → 0) = (0 → 0) = 1 22
Wahrheitstafel f¨ ur die logischen Operatoren ¬ P P 0 1 1 0 ∧ 0 1 ∨ 0 1 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1 1 1 → 0 1 ↔ 0 1 0 1 1 0 1 0 1 0 1 1 0 1 23
Semantik der Aussagenlogik Auswertung von Formeln in einem Modell Sei A : Π → { 0, 1 } eine Π-Valuation. A ∗ : For Π → { 0, 1 } wird induktiv ¨ uber Aufbau von F wie folgt definiert: A ∗ ( ⊥ ) = 0 A ∗ ( ⊤ ) = 1 A ∗ ( P ) = A ( P ) A ∗ ( ¬ F ) = 1 − A ∗ ( F ) A ∗ ( F op G ) = B op ( A ∗ ( F ), A ∗ ( G )) B op ( x , y ) berechnet entsprechend der Wahrheitstafel f¨ ur op z . B . : B ∨ (0, 1) = (0 ∨ 1) = 1; B → (1, 0) = (1 → 0) = 0 Wir schreiben normalerweise A statt A ∗ und op statt B op . 24
Modell einer Formel Definition: Interpretation A ist Modell einer Formel F ∈ For Π , falls A ∗ ( F ) = 1. Notation: A | = F Beispiel: A : Π(= { B , F , E } ) → { 0, 1 } mit: A ( B ) = 1, A ( F ) = 0, A ( E ) = 1 Da A ( ¬ B → F ) = 1, ist A ein Modell der Formel ¬ B → F A | = ¬ B → F 25
Modell einer Formelmenge Definition: Interpretation A ist Modell einer Formelmenge M ⊆ For Π , falls A ∗ ( F ) = 1 f¨ ur alle F ∈ M Notation: A | = M Beispiel 1: A : { B , F , E } → { 0, 1 } mit A ( B ) = 1, A ( F ) = 0, A ( E ) = 1 • Da A ( ¬ B → F ) = 1; A ( F ∧ B → ¬ E ) = 1; A ( E ∨ ¬ B → ¬ F ) = 1, ist A ein Modell der Formelmenge M = {¬ B → F , F ∧ B → ¬ E , E ∨ ¬ B → ¬ F } 26
Modell einer Formelmenge Definition: Interpretation A ist Modell einer Formelmenge M ⊆ For Π , falls A ∗ ( F ) = 1 f¨ ur alle F ∈ M Notation: A | = M Beispiel 1: A : { B , F , E } → { 0, 1 } mit A ( B ) = 1, A ( F ) = 0, A ( E ) = 1 • Da A ( ¬ B → F ) = 1; A ( F ∧ B → ¬ E ) = 1; A ( E ∨ ¬ B → ¬ F ) = 1, ist A ein Modell der Formelmenge {¬ B → F , F ∧ B → ¬ E , E ∨ ¬ B → ¬ F ) Beispiel 2: A ′ : { B , F , E } → { 0, 1 } mit A ′ ( B ) = 0, A ′ ( F ) = 0, A ′ ( E ) = 1 • Da A ′ ( ¬ B → F ) = ¬A ′ ( B ) → A ′ ( F ) = ( ¬ 0 → 0) = (1 → 0) = 0 ist A ′ kein Modell der Formelmenge {¬ B → F , F ∧ B → ¬ E , E ∨ ¬ B → ¬ F ) 27
G¨ ultigkeit und Erf¨ ullbarkeit Definition: F gilt in A (oder A ist Modell von F ) gdw. A ( F ) = 1. Notation: A | = F Definition: F ist (allgemein-) g¨ ultig (oder eine Tautologie) gdw.: A | = F , f¨ ur alle A : Π → { 0, 1 } Notation: | = F Definition: F heißt erf¨ ullbar gdw. es A : Π → { 0, 1 } gibt, so dass A | = F . Definition: F heißt unerf¨ ullbar (oder eine Kontradiktion) gdw. F nicht erf¨ ullbar ist. 28
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